Wenn im Mittelalter eine Kirche den Namen St. Martin bekam, so war es eine wichtige Kirchengründung. Als im Jahre 1997 die Stadt und die Kirchengemeinde Bramsche ihr 900-jähriges Jubiläum feierten, stellte man fest, dass in unserer Kirche nichts an den Namenspatron St. Martin, Bischof von Tours, erinnerte. Verena Halbreder von Falkenstein konnte gewonnen werden, ein Buntglasfenster zu entwerfen - und seit 1999 haben wir nun im Osten des Seitenschiffes ein St.-Martin-Fenster. In der Mitte, einer Mandorla, ist die legendäre Mantelteilung dargestellt (Mandorla ist ein Fachbegriff
aus der Kunstgeschichte und bezeichnet eine Glorie oder Aura rund um eine ganze Figur. Sie ist zumeist mandelförmig.) Die Mandorla und auch der Schein um das Haupt Martins leuchten in einem kräftigen Gelb, der Farbe der Sonne, die erhellt und wärmt. Obwohl der Künstlerin bekannt war, dass die Mäntel der Reitergarde, der Martin angehörte, weiß waren, hat sie dem Mantel die Farbe der Liebe, rot, gegeben. Oben, in der Rundung des Fensters, da wo die Mandorla ihren Ursprung hat, kommen aus einem Kreis Zungen und weiße Tropfen. Sie symbolisieren den Heiligen Geist, die Kraft Gottes. Darüber wölbt sich ein blauer Himmel. Der Kreis, der keinen Anfang und kein Ende hat, ist ein Symbol für Gott. Gottes Geist umfängt, behütet und schützt Martin. Rechts unten sieht man bunte Kerzen, die an den Brauch der Laternenumzüge der Kinder am Martinstag erinnern. Im Fenster unten links sind jene Gänse zu sehen, die Martin verraten haben, als er in ihren Stall flüchtete, um sich der Wahl zum Bischof zu entziehen. Die Gänse verrieten ihn durch ihr lautes Geschnatter, woraufhin das Volk von Tours – nicht die Geistlichen der Region – ihn zu seinem Bischof wählte. Bald nach der Mantelteilung hat Martin seinen Soldatenberuf aufgegeben, sich taufen lassen und ist Einsiedler geworden. Er wollte in Ruhe die Bibel studieren und Gott nahe sein. Er lebte auch als Bischof bescheiden, zog sich immer wieder zurück in die Einsamkeit, um dort zu studieren, zu beten, auf Gott zu hören.
Wir wissen, dass er als Bischof großen Wert auf die Ausbildung der Priester legte und sie zu zweit in die gallischen Dörfer schickte, um dort mit den Menschen zu leben und ihnen das Evangelium zu predigen. Von Zeit zu Zeit kehrten diese Missionare dann zurück, um sich auszutauschen, zu lernen und wieder gestärkt zurück in die Dörfer zu gehen. Hier, in der Nähe von Tours, entstand die erste Art klösterlichen Lebens.
Bischof Martin war mutig und wagte es, dem weströmischen Kaiser, der in Trier residierte, zu widersprechen. Er kritisierte auch die Bischofskollegen, die lieber am Hof des Kaisers in Trier weilten als in ihren Diözesen. In der unteren Mitte des Fensters ist eine stilisierte Rose, in ihrer Mitte ein Herz und darin ein Kreuz zu sehen: das Wappen Martin Luthers. Damit erinnert die Künstlerin an einen zweiten berühmten Martin. Und es gibt viel Gemeinsames, was diese Männer verbindet: Ihre Frömmigkeit, die sich auf die Bibel gründete, ihr unerschrockenes Eintreten für ihre Überzeugungen, ihren Mut, Ungerechtigkeiten zu erkennen und zu benennen. Beide wurden am Ende ihres Lebens gerufen, einen Streit zu schlichten. Beide scheuten die Reise, weil das Alter beschwerlich geworden war. Aber beide konnten den Streit schlichten und verstarben an den jeweiligen Orten: Bischof Martin in Candes und Martin Luther in Eisenach.
Und wenn wir in die jüngere Geschichte blicken, sind noch zwei weitere Personen mit dem Namen Martin zu nennen: Martin Niemöller, der wie Bischof Martin Soldat war, bevor er Pazifist wurde und Martin Luther King. Es ist interessant, wie sich diese vier Lebensgeschichten an vielen Stellen ähneln.
Am 8. November 397 starb Bischof Martin, am 11.November wurde er begraben.
Martin Luther wurde am 10.November 1483 geboren und wahrscheinlich am 11. November, dem Martinstag, getauft.
St. Martin ist der erste heilig Gesprochene, der keinen Märtyrertod gestorben ist. Ich lade Sie ein, sich das Fenster einmal genauer anzuschauen.