Nach der Reformation wurden mit den Kirchen auch viele Altäre umgestaltet: Insbesondere auf die großen Schauwände hinter den Altären sollte verzichtet werden. Aber vielen Gemeinden war das zu nüchtern. So empfahl Martin Luther, wenn sie nun unbedingt ein Bildprogramm haben wollten, dann sollte es am besten die Darstellung des Heiligen Abendmahls sein. Denn hier am Altar ist der Platz, an dem die Gemeinde es feiert.
In vielen lutherischen Kirchen sind darum Abendmahlsdarstellungen zu sehen.
In unserer Kirche fällt trotz des farbenfrohen Retabels das große Abendmahlsgemälde sofort ins Auge, wenn wir den
Altarbereich betrachten: Jesus hat gerade mit seinen Jüngern das Passahfest gefeiert – mit Wein, dem Passahlamm, den bitteren Kräutern und dem Brot.
Nun sitzen sie noch beisammen. Auf dem Tisch steht der Kelch, außerdem eine Kerze, eine Schale und einige Teller. Zwei Brote und ein Messer liegen ebenfalls auf dem Tisch. Ein weiteres Brot hält Jesus segnend in der Hand, er wird es brechen und den Jüngern geben: „Nehmt hin und esst!“
Danach wird er ihnen den Kelch reichen: „Trinkt alle daraus!“
Es ist das Abschiedsmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feiert, bevor er festgenommen wird, zwei Gerichtsprozesse erdulden muss und schließlich unter Qualen am Kreuz stirbt.
Er versucht bei diesem Mahl den Jüngern zu sagen, was geschehen wird: Einer von euch wird mich verraten! Verraten
– warum, weshalb?
Für die Jünger ist das unvorstellbar. Was haben sie nicht alles mit ihm erlebt. Es waren doch bewegende, wunderschöne Jahre, die sie miteinander verbracht haben. Seine Erzählungen, Gleichnisse und Predigten gingen nicht nur ihnen ins Herz. Er hatte ihnen Gottes Liebe nahe gebracht. Und ihn sollte nun einer von ihnen verraten?
Unmöglich. Aufgeregt reden sie auf dem Altarbild in St. Martin zu zweit und zu dritt über diese unfassbare Ankündigung.
Was meint Jesus damit, wer soll das denn sein – einer von ihnen? Dieser Moment ihrer Verunsicherung ist auf unserem Altarbild dargestellt. Petrus ist sich sicher – ihm kann das nicht passieren. Er wendet sich der Tätigkeit mit dem Wasser zu. Ihm gegenüber sitzt Judas. Er beteiligt sich nicht an den Fragen und Gesprächen über das, was Jesus da voraussagt. Es sieht so aus, als ob er gleich aufstehen wird. Eine Hand stützt sich auf den Tisch, die andere, mit der er etwas hält, befindet sich auf seinem Oberschenkel.
Unten auf dem Gemälde liegt ganz ruhig ein Hund. Er scheint zu dösen und darauf zu warten, angesprochen zu werden. Der Hund auf unserem Bild symbolisiert das Böse: Es lauert überall. Nirgends sind wir vor ihm sicher. Nicht einmal in unmittelbarer Nähe zu Jesus. Der schlafende Hund ist eine Warnung an uns, dem Bösen in und um uns, keine Gelegenheit zu geben, aktiv zu werden und unser Handeln zu bestimmen.
Das Abendmahlsbild in St. Martin ist ganz speziell für unsere Kirche entworfen und gemalt. Das wird dadurch deutlich, dass sich die seitlichen romanischen Bögen des Hauptschiffes in dem Bild fortsetzen. Es scheint so, als wenn der Raum, in dem Jesus mit seinen Jüngern sitzt, die Fortsetzung des Kirchenschiffes ist. Wenn wir hier in der Kirche Gottesdienst
feiern und am Altar das Heilige Abendmahl empfangen, sind wir mit Jesus, seinen Jüngern und all den Menschen, die vor uns hier den Segen Gottes empfangen haben, verbunden.