Kirchliche Andacht zum Volkstrauertag, 17. November 2024

Nachricht Bramsche, 17. November 2024

Lesung von Micha 4, 1-5

Unter dem Symbol ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ machte sich die Friedensbewegung in der ‚DDR# auf den Weg, der gemeinsam mit vielen anderen Mittel- und Osteuropäern zum Fall der Mauer und der innereuropäischen Grenzen, des eisernen Vorhangs führte.

Die große Vision aus dem Micha-Buch weist auf eine kommende Zeit – die Zeit, in der Gott letztlich im Regiment sitzen wird. Und doch dienen sie nicht der Vertröstung auf ein unbestimmtes ‚Später‘, sondern sollen Ansporn sein, bereit hier und jetzt die Nötigen Schritte zu tun, die Frieden und Gerechtigkeit möglich machen.

Wir stehen heute an den sichtbaren Gräbern der Gefallenen der beiden großen Kriege. Wie viele Opfer aber sind ohne Grab; unsichtbar geblieben, zerschlagenen Leibes oder zerbrochener Seele.

Und dies nicht nur in den großen europäischen Kriegen. Zu allen Zeiten über überall wurden und werden Menschen Opfer von Menschen. Gier und Habsucht, kranker Lebenswahn und Ausgrenzung treiben Menschen auf der ganzen Welt gegeneinander.

Wahrer Frieden aber setzt wahre Versöhnung voraus, nicht nur halbherzige Kompromisse. Wo Gott als Friedenstifter wirkt und einbezogen wird, muss der Blick aufs eigene Neu-Werden gerichtet werden. Da kann ich die Schuld nicht nur beim anderen Suchen, sondern muss bei mir anfangen. Wo das gelingt und auf Gottes heilendes und vollendendes Handeln gebaut wird, kann wahrer Friede wachsen. Einer Gesellschaft, die das ausblendet, wird es schwer fallen, gar unmöglich sein, dies zu erreichen. Und das erleben wir allerorten.

Wir Christen werden von Gott bei diesem Ziel in die Pflicht genommen. Gerecht geworden sind wir diesem Auftrag in Geschichte und Gegenwart aber wenn überhaupt nur ansatzweise. So schauen wir auch auf die Schuld der Kirche, nicht nur im Zusammenhang mit den Weltkriegen und dem vermeintlichen ‚Gott mit uns‘, auf welchen Abwegen wir uns auch befunden haben mögen.

Es bleibt Sinn und Ziel unseres Redens und Handels, Wege der Versöhnung und des Friedens zu eröffnen. In diesen Tagen, angesichts der Kriege und eines immer wieder neu wachsenden Nationalismus , der Völker voneinander zu trennen droht, mehr denn je.

So treten wir im Gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt vor Gott und beten mit Worten des Versöhnungsgebets von Coventry:

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. (Römer 3, 23)

Den Hass, der Nation von Nation trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,

Vater, vergib.

Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,

Vater, vergib.

Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,

Vater, vergib.

Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,

Vater, vergib.

Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,

Vater, vergib.

Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,

Vater, vergib.

Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,

Vater, vergib.

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4, 32)

Und der Friede Gottes, der all unser Verstehen übersteigt, sei und bleibe mit uns allen.

Amen.

J. Cierpka-426-426
Superintendent Joachim G. Cierpka