Ewigkeitssonntag - Meinen Tod fürchte ich nicht

Nachricht Bramsche, 24. November 2024

Gott spricht: Seht, ich mache alles neu. (Off. 21,5)

In der stiller werdenden Jahreszeit, besonders aber heute am Toten- oder Ewigkeitssonntag gedenken wir in besonderer Weise derer, die wir endgültig haben loslassen müssen und die wir in Gottes Ewigkeit geborgen hoffen. Die neue Schöpfung, die im Buch Offenbarung im 21. Kapitel beschrieben ist, stellt uns dabei ein Ziel vor Augen, das nicht ins Leere gehen lässt, uns nicht der Leere des Verlustes eines geliebten Menschen, der Leere der Trauer und Hoffnungslosigkeit überlässt. Dem Loslassen und Verlieren folgen die findende Erfüllung: Tod, Leid und Tränen werden nicht mehr sein, sondern Gott mit uns, die Quelle des Lebens untrennbar in und um uns.

Die Vision des Johannes ist ein trostreiches Bild, das nicht zuletzt die Angst vor dem eigenen Tod zu nehmen vermag.

Und dennoch bleiben wir aber mitten in diesem Leben vom Tod umfangen. In den Worten Mascha Kalékos finde ich das besonders klar ausgedrückt:

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang, nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.

Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

 

Allein im Nebel tast ich todentlang

Und laß mich willig in das Dunkel treiben.

Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

 

Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;

- Und die es trugen, mögen mir vergeben.

Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,

Doch mit dem Tod der andern muß man leben.

 

Die manchmal große Last des bleiben Müssens kommt hier zur Sprache. Die Tatsache, dass mit jedem uns wichtigen Menschen auch ein Stück von uns selbst unwiederbringlich verloren scheint. Hierin ist Vergänglichkeit in besonderer Weise spürbar, sehr schmerzhaft oft. Und doch ist auch dieser Schmerz wertvoll: Macht er doch nicht zuletzt deutlich, dass jeder Mensch, der uns begegnet, ein besonderes, einmaliges Geschenk an uns ist. Und gerade das Wissen um die Vergänglichkeit, die Begrenztheit der Zeit, die uns gegeben hat, macht es besonders kostbar. So kann uns das Wissen um die Endlichkeit unserer Seins zu einer anderen Qualität des Miteinanders befähigen, Leben reicher machen. Doch gerade dann ist der Verlust auch besonders schmerzhaft, bleibt eine spürbare Lücke. Dazu finde ich in einem Brief Bonhoeffers an seinen engen Freund Eberhard Bethge folgende Sätze: „Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann; und man soll es auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern erhält sie vielmehr gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren. Ferner: Je schöner und volle die Erinnerung, desto schwerer die Trennung. Aber Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine Stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. Man muss sich hüten, in den Erinnerungen zu wühlen, sich ihnen auszuliefern, wie man auch ein kostbares Geschenk nicht immerfort betrachtet, sondern nur zu besonderen Stunden und es sonst nur wie einen verborgenen Schatz, dessen man sich gewiss ist, besitzt; dann geht eine dauernde Freude und Kraft von dem Vergangenen aus.“

Möge Ihnen dies Geschenk heute und in den kommenden Wochen spürbar sein und Sie aufs Neue öffnen für die Vorfreude in der Adventszeit auf den kommenden Christus und sein Licht auch in Ihr Leben scheinen.

Joachim G. Cierpka

J. Cierpka-426-426
Superintendent Joachim G. Cierpka