Buß- und Bettag

Nachricht Bramsche, 20. November 2024

Buß- und Bettag

Jona sprach: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.“ Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und ließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, groß und klein, den Sack zur Buße an. Und als da vor den König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche und ließ ausrufen und sagen in Ninive als Befehl des König und seiner Gewaltigen: Es sollen weder Mensch noch Vieh, weder Rinder noch Schafe Nahrung zu sich nehmen, und man soll sie nicht weiden noch Wasser trinken lassen; und sie sollen sich in den Sack hüllen, Menschen und Vieh, und zu Gott rufen mit Macht. Und ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände!  Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich gereuen und wendet sich ab von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben. Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und er tat’s nicht.

 

Gemeinsame Bußzeiten waren nicht nur schon früh im Judentum, sondern auch in der heidnischen Antike bekannt, wie z.B. die römischen ‚feriae piaculares’, die Not und Kriegsgefahr abwenden sollten. Im Regelfall erfolgen sie auf staatliche Anordnung, wie auch im Jonatext erkennbar.

 

Ihre theologische Begründung ist dreifach:

  • Die Kirche tritt fürbittend für die Schuld der Gläubigen vor Gott ein.
  • Die Kirche übt zeitkritisch ihre ‚Wächterfunktion’ aus. So ist der Bußtag beispielsweise auch immer ein Teil der Friedensdekade.
  • Schließlich soll der Einzelne sein Gewissen vor Gott prüfen.

 

Ähnlich wie beim ‚jom kippur’, dem höchsten jüdischen Feiertag, darf der Büßende aber nach eigener Umkehr auf die versöhnende Zuwendung Gottes hoffen.

 

Die evangelische Kirche feierte den ersten Buß- und Bettag auf kaiserliche Anordnung im Jahr 1532 in Straßburg wegen der Türkengefahr. 1878 konnten in 28 deutschen Ländern 47 Bußtage an 24 unterschiedlichen Tagen verzeichnet werden! 1893 wird in Preußen der Bußtag einheitlich auf den Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres fixiert. Nach Unterbrechung im 3. Reich wird er selbst in der ‚DDR’ wieder eingeführt und erst 1966 abgeschafft. Im Jahre 1995 fiel der seit 1990 wieder bundeseinheitliche Bußtag der Pflegeversicherung ‚zum Opfer’.

 

Bleibt die Frage, ob wir im 21. Jahrhundert mit dieser Form der Buße und Einkehr noch umzugehen verstehen? Mag es vielleicht von einigen auch noch so für nötig erachtet werden: im Hinblick auf ein bürgerlich-moralisches Verständnis von Fehlverhalten in preußischer Tradition hat sich der Bußtag überlebt. Aufs Neue aber gewinnt er meines Erachtens aber von Bedeutung, wenn wir ihn ganzheitlich existentiell verstehen, wie er ja eigentlich auch angelegt ist: So ist Erkenntnis von Fehlverhalten und die daraus nötigen konsequenten Schritte der Umkehr zu gehen nicht nur im Hinblick auf Klima und Umwelt unumgänglich und von existentieller Bedeutung. Gerechtere Güterverteilung wird im Hinblick auf die Friedenserhaltung ebenso notwendige Aufgabe des Globalisierungsprozesses sein wie ein weitreichenderer Zugang von Menschen zu Trinkwasser. Vielmehr ist Gewissenprüfung auch des Einzelnen, prophetisches Wächteramt und Mahnen wie auch die persönliche Bereitschaft zur Veränderung ggf. auch eigener Lebensgewohnheiten wohl dringender denn je. Und die versöhnende Zuwendung Gottes wohl nicht minder.

Joachim G. Cierpka

J. Cierpka-426-426
Superintendent Joachim G. Cierpka